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Finaltagebuch Tag 12 – Kermit, Spareribs und die Eintracht-Hymne
Dienstag, 16. Juni 2020
7.15 Uhr
Heute das allererste Mal VOR dem grauenvollen Handy-Piepen wach. Bin ein ganz klein wenig stolz auf mich. Viertelfinal-ready.
9.20 Uhr
Assistant Coach Klaus schaut zu mir rüber, als wir am Frühstückstisch sitzen. „Mir haben die letzten Tage so viele Leute geschrieben, warum ich denn Banane mit Nutella frühstücke. Da hast du mir was eingebrockt“, sagt Klaus. Zunächst leicht grimmig. Dann schmunzelnd.
9.25 Uhr
Klaus frühstückt Banane mit Nutella.
9.35 Uhr
Habe mich von Headcoach Sebastian inspirieren lassen und entscheide mich für ein Müsli. Das erste Mal während des Turniers. Bei Sebastian Standardprogramm. Banane mit Nutella spare ich mir noch auf. Als Highlight für die nächsten Tage.
10.30 Uhr
Für Len steht ein Telefon-Interview mit der Verlagsgruppe Rhein-Main an. Kollegin Katja Sturm möchte eine ausführliche Geschichte über den 17-Jährigen schreiben. Ich höre mit, sicher ist sicher. Wie sich hinterher rausstellt: Hätte Len auch easy allein geschafft.
10.35 Uhr
Zum Turnierstart noch ziemlich zurückhaltend, blüht Len immer mehr auf. Sowohl auf dem Feld wie auch bei den Interviews. Genau wie jetzt. Über eine halbe Stunde lang quatscht der Youngster mit der Journalistin, berichtet von Tischtennis-Matches mit Bruno, seinen Zweit- und Drittnamen Adam und Chai sowie seinem Vater, der aus Kenia stammt.
11.45 Uhr
Die Jungs, darunter natürlich auch Len, kommen zur Video-Analyse zusammen. Genauer gesagt: Video-Analyse, Teil 1. Eine halbe Stunde lang seziert Assistant Coach Klaus die Offensive der Ulmer und macht den Spielern klar, auf was sie sich in der Defensive einstellen müssen. Heute Abend folgt der zweite Analyse-Teil. Bei den Gruppenspielen gab es lediglich eine Analyse: Bei vier Partien in sieben Tagen blieb nicht mehr Zeit. Doch mit nun drei spielfreien Tagen dazwischen bleibt deutlich mehr Raum, um die Ulmer intensiver zu analysieren.
12.20 UhrHeadcoach Sebastian wartet auf seinen Einsatz bei der BBL-Pressekonferenz, quatscht noch einen Moment mit Ludwigsburg-Coach John Patrick vor dem Interview-Raum. Den, den Assistant Coach Klaus niemals betreten will. Als Sebastian an der Reihe ist, sitzt er zum Interview dem BBL-Mitarbeiter Sven Simon gegenüber. Der trägt ein T-Shirt mit großflächigem Kermit-Konterfei. Vor ein paar Tagen trug er ein argentinisches Nationaltrikot von Manu Ginobili.12.30 UhrMittagessen. Zwei Stücke weißer Fisch. Trocken. Extrem trocken. Bisher mein persönlicher Reinfall des Turniers. Wünsche mir Banane mit Nutella.12.50 UhrHatte am Vormittag schon mit Tez gequatscht, dass wir direkt nach dem Mittagessen ein kleines Video-Interview aufzeichnen. Und zwar für die Pre-Game-Show von Eva und Phil, die wie immer eine Stunde vor dem Tip-off läuft. Von dem Speisesaal aus will ich mit ihm direkt in mein Zimmer gehen, Raum 136, wo ich die alt bekannte Handy-Halterung aufgebaut habe – wieder mit zwei 0,5 Liter Wasserflaschen, um das Gebilde zu stabilisieren.12.52 UhrDa ich mit dem Rücken zum Tisch sitze, an dem Tez seinen Stammplatz hat, bemerke ich zu spät, dass unser Captain schon aufgesprungen ist. Ich springe ebenfalls auf und sehe, wie Tez schon durch die Lobby läuft. Mit einem kleinen Zwischenspurt hole ich ihn ein. Ah stimmt, sorry, sagt Tez, das Interview hat er ganz vergessen. Machen wir jetzt aber schnell.
Tagebuch-Übersicht
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12.55 UhrSchnell? Denkste. Die Handy-Halterung wackelt hin und her, irgendwie will das heute nicht. Auch die zwei 0,5 Liter Wasserflaschen lassen mich im Stich. Aber Tez ist geduldig und mehr noch: Er beugt sich aus dem Stuhl, auf dem er schon Platz genommen hatte, nach vorne, und hilft mir, die Haltung mithilfe der Wasserflaschen zu fixieren.14.30 UhrNächstes Interview für die Pre-Game-Show, diesmal mit Maxi. Was macht die Handy-Halterung? Habe sie nicht mehr angerührt, seitdem Tez sie befestigt hat.16.15 UhrAbfahrt zum Training. Rein in den Teambus. Im Radio läuft nicht „Cry me a river“ oder irgendwas von Whitney Houston, sondern Klassik. Streicher-Instrumente. Nichts Wildes, sondern sehr beruhigende Töne. Die meisten der Jungs haben ihre Kopfhörer aufgezogen. Und hören Hip-Hop. 16.30 UhrAls wir auf dem FC-Bayern-Campus aus dem Bus steigen, kämpft sich die Sonne durch die Wolken. Ich laufe neben Len in Richtung Halle und sage ihm, dass ich sein Telefon-Interview heute Vormittag echt souverän und cool fand. Mich macht’s fast ein bisschen stolz, wie er und die anderen Youngsters sich entwickeln, immer aufgeschlossener, immer eloquenter werden. Klare Sache: Man wächst mit seinen Aufgaben.
17.50 Uhr
Als das Training vorüber ist, schaut Athletikcoach Greg auf das Bayern-Logo, das in der Mitte der Halle platziert ist. Und fängt plötzlich an zu singen: „Im Herzen von Europa liegt mein Frankfurt am Main …“ Yorman schaut fragend: „Ist das die Frankfurt-Hymne?“ Fast, sagt Greg: die Hymne des Fußball-Klubs Eintracht Frankfurt. Leon, der nebendran sitzt und die Schuhe wechselt, nimmt sprichwörtlich den Ball auf und meint zu Yorman, dem Ex-Bonner: „Wie geht noch mal diese Hymne, die vor jedem Spiel in Bonn läuft? Bei der singe ich sogar mit, wenn ich als Gegner dort spiele.“ Nun fängt Yorman mit funkelnden Augen an zu singen: „Du bist meine Liebe, meine Stadt, und mein Verein …“ Das gefällt wiederum Physio Flo nicht, der gerade die Knie von Yorman mit Eispaketen umwickelt, so wie nach jedem Training. In tiefer Tonlage stimmt Flo nun an: „Big loooove …“
18.20 Uhr
Im Hotel angekommen, begegnet Headcoach Sebastian den BBL-Kollegen Sven Simon vor dem Aufzug. Der mit dem Kermit-T-Shirt. Sebastian hält Sven an und zückt sein Handy. Er hat eine WhatsApp von Harald Stein, Sebastians langjährigem Förderer, erhalten, die lautet: „Schönen Gruß an Sven Simon! Frag ihn mal, ob er weiß, welcher Spieler mit 16 Jahren (oder 15?) 1981/82 in der Bundesliga gespielt (z.B. Steal und Gamewinner gegen Gießen) und Pokalsieger geworden ist?“
18.22 Uhr
Sven, das wandelnde BBL-Lexikon, grübelt. Und grübelt. Und grübelt. Ich betrachte mir währenddessen sein Kermit-T-Shirt.
18.25 Uhr
Sven gibt seinen Tipp ab: Stephan Baeck. Sebastian muss noch bei Harald Stein nachhaken, wie die Antwort lautet.
18.52 Uhr
Sebastian leitet mir die Auflösungs-WhatsApp von Harald Stein weiter: Der gesuchte Spieler war Kai Nürnberger.
19.10 Uhr
Höre den Podcast „Abteilung Basketball“ von Magenta Sport. Unter anderem wird das Verschwinden von XXL-Känguru Elli Hoop thematisiert. Oldenburgs Karsten Tadda, der beim Podcast zu Gast ist, berichtet, dass ihm das Maskottchen genau wie mir im Aufzug begegnet sei. Karsten schlägt vor: „Wäre witzig, wenn sich jetzt irgendjemand ins Kostüm stecken würde. Weil keiner damit rechnet, wenn sich das Maskottchen anfängt zu bewegen …“
19.55 Uhr
Video-Analyse vor dem Viertelfinale, Teil 2. Diesmal zeigt Assistant Coach Klaus auf, über welche Stärken die einzelnen Ulmer Spieler in der Offensive verfügen. Headcoach Sebastian sagt zu seiner Truppe: „It’s a special situation – it’s a special chance.“ Nur mal so: Innerhalb von sechs Spielen könnte man jetzt ja Meister werden.
20.20 Uhr
Auf zum Abendessen. Es gibt Spareribs. Feiertags-Stimmung bei den Jungs. Ich muss bei Physio Flo und Teammanager Jannis nachhaken, wie ich die Dinger am besten vertilge. Ich lerne: am besten barbarisch – mit den Händen. Geschmacklich jedenfalls erste Sahne.
21.05 Uhr
Als wir im Speisesaal aufbrechen, schnappe ich mir noch ein Paulaner Alkoholfrei aus dem Kühlschrank. Dazu zwei Waffle-Snacks. Beste Ausstattung, um das Tagebuch zu schreiben.
21.10 Uhr
Laufe durch die Lobby. Und wer ist zurück? XXL-Känguru Elli Hoop. Mache einen Sicherheits-Bogen um das Tier. Falls es sich jetzt plötzlich bewegt.
von