Es geht um die Siege und das Haare- schneiden in Berlin. Viele werden sich fragen: Was hat Basketball mit Haare-schneiden und Berlin zu tun. Die Frage ist berechtigt, doch die Eingeweihten kennen das Ergebnis und stimmen zu. Am 26. Februar reiste ich einige Stun- den vor den OPEL SKYLINERS zum Pokalachtelfinale in die Bundeshaupt- stadt und war davon überzeugt, dass dort was zu bewegen war.
Termingerecht war ich am Mittwoch am Bahnhof Zoo, um das Team zu empf- angen. Trainer Gordon Herbert war gut aufgelegt und meinte: "Hpl what is your prognosis for the game?". "We win Coach, but I have to cut my hair first."
Gleich am frühen Donnerstagmorgen suchte ich einen Friseur auf und ließ mir den Winterpelz vom Kopf scheren. Es wurde ein toller Schnitt und er war mit 11 Euro um einiges billiger als in Oberursel. Mit neuer Frisur und voller Optimis- mus ging es per Taxi mit dem Team in die Max Schmeling Halle. Hinter den Kulissen brodelte es noch, denn die Sperre von John Best nach dem Platz- verweis in Trier sorgte für viel Gesprächsstoff. Eigentlich hätte jeder erwartet, dass Best für ein Ligaspiel gesperrt wird, doch die Statuten des DBB machen da keine Ausnahme. Meine Prognose wurde besonders von den Berliner Kollegen belächelt, doch das konnte mich nicht stören, denn mit neuem Haarschnitt konnte heute nichts mehr anbrennen.
Auf dem Spielfeld zeigte sich gleich die allge- meine Verunsicherung des Titelverteidigers, denn er versuchte es mit der Brechstange und wirkte konzeptlos. In all den Jahren hatte ich die so hoch Gelobten noch nie so hilflos gesehen und schon zur Halbzeit verschwand das häm- ische Grinsen der Berliner Kollegen über meinen Optimismus. Es sollte noch schlimmer kommen und das Ergebnis ist ja hinlänglich bekannt.
Berlins Trainer Emir Mutapcic fehlten in der Pressekonferenz die Worte, die er erst 35 Min- uten nach dem Spiel betrat, denn er mußte erst seine ganze Enttäuschung in der Kabine heraus- brüllen. Der Kommentar des Meistermachers war knapp. "Das war das deprimierendste Spiel in meiner Zeit bei Alba." Coach Herbert wirkte entspannt und meinte: "Das war das beste Spiel meines Teams seit ich in Frankfurt bin" - und zupfte an seinen Haaren. Das Geheimnis vom Haarschnitt gab er nicht preis, denn sein Team hatte den Albatrossen kräftig die Flügel gestutzt. Der Drohung einiger Fans ("In vier Wochen sieht alles anders aus") sah ich gelassen entgegen, denn mittlerweile war ich von der Magie des Haarschnitts überzeugt.
Im Bundesligaalltag zeigte sich Alba schnell erholt, während das Team der OPEL SKYLINERS wieder schwächelten. Nach den Niederlagen in Oldenburg und Würzburg sowie der Zitterpartie gegen Braunschweig war der Glanz von Berlin schon wieder stark verblasst. Das Hessenderby gegen Giessen war auch ein Spiel der Kategorie "Hauptsache gewonnen". Doch die Defense-Leistung gab einige Hoffnung im Kampf um die Verteidigung des vierten Platzes nach der Vorrunde. Trainer Gordon Herbert ging vor dem Spiel in Berlin auf Nummer sicher und meinte: "Hpl you must accompany us to Berlin, you know, get a haircut and we beat Berlin once more."
Wer konnte da schon Nein sagen bei soviel Vertrauen in die magischen Fähigkeiten, Berlin mit einem Haarschnitt zu entzaubern. Mit dieser Über- zeugung reiste ich am Sonntag nach Berlin und traf das Team im Hotel kurz vor der Abreise und auf die Frage "Hpl Du wieder hier?" kam die Antwort "Ich habe am Montag hier einen Friseurtermin."
Berlin legte los wie die Feuerwehr und wir fingen uns die ersten Fouls ein, es war zum Haare raufen. Tyrone Ellis hatte nach 3 Minuten schon drei auf seinem Konto und saß bis zur Halbzeit nur auf der Bank. In dieser Phase zeigte unser Team Biss und ließ nichts anbrennen. In der ersten Halbzeit verzichteten die Gastgeber häufig auf den Rebound nach einem Angriff und in der Pressekonferenz lüftete der Trainer das Geheimnis: "Wir waren auf dem Rückzug, um die gefährlichen Fastbreaks von Frankfurt zu stören." Eine rechte verwunderliche Taktik oder kurz gesagt die Resignation vor der Frankfurter Reboundübermacht.
Der große Einbruch der Berliner wie im Pokalspiel erfolgte diesmal nicht vor der Halbzeit und das 35:36 zum Seiten- wechsel war für Berlin die Hoffnung auf mehr, doch für mich die Bestätigung meines Optimismus'. Auch im dritten Viertel blieb es knapp als die Gastgeber zum 41:41 ausgleichen konnten. Später mussten auf beiden Seiten die beiden Brettspieler John Best und "Iceman" Chris Williams mit fünf Fouls auf die Bank.
Es hätte noch mal eng werden können, wäre da nicht die Wiedergeburt von Tyrone gewesen. Mittlerweile mit vier Fouls belastet, drehte er nun auf und sein 3er eröffnete einen 12:4-Lauf der OPEL SKYLINERS, dem die Gastgeber nur noch wenig entgegen zusetzen hatten. Die 6849 Zuschauer, unter ihnen ein Dutzend Fans aus Frankfurt, nahmen die erste Heimniederlage (66:81) der Albatrosse in der Bundesliga mit einigem Erstaunen und Pfiffen zur Kenntnis und während sich die Gäste beim Publikum höflich bedankten, schlichen die Gastgeber in die Katakomben der Max Schmeling Halle.
In der Pressekonferenz war Trainer Mutapcic diesmal nicht so wortkarg und meinte: "Frankfurt ist eine gute Mannschaft und hat heute noch einmal gewonnen und wir haben einfache Dinge nicht gemacht und ohne Emotionen kann man so ein Spiel nicht gewinnen." Als ihm ein Journalist Frankfurt als "Angstgegner" suggerieren wollte, wurde er noch einmal munter und bestritt energisch jedes Angstgefühl Dabei war die Reboundüberlegenheit der OPEL SKYLINERS mit 42:25 schon beängstigend. Gordon Herbert auf die Frage wann er sich Berlin in den Play-offs wünsche: "Natürlich nur im Endspiel." Berlins Trainer ließ das unkommentiert durchgehen und verschwand in den Katakomben.
Die Karten um die ersten vier Plätze wurden an diesem Tag noch einmal neu gemischt. Nach Ostern wissen wir mehr und ich hoffe, dass uns der Oster- hase gegen die Artland Dragons kein faules Ei ins Nest legt. In diesem Sinne frohe Ostern und nicht vergessen: Haareschneiden in Berlin lohnt sich immer!
Euer hpl