Finaltagebuch Tag 7 - Gespräche, Gespräche, Gespräche
Donnerstag, 11. Juni 2020 - Gameday
7.25 Uhr
Grauenvolles Handy-Piepen. Ist bekannt. Schalte den Fernseher an, Morgenmagazin. Drei, vier Minuten langer Beitrag über das Fußball-Pokal-Halbfinale, Bayern gegen Frankfurt. 2:1 für Bayern. Danach: etwa 30 Sekunden über Basketball, Oldenburg gegen Göttingen. Denke mir: Schade irgendwie, dass beim Fußball wieder der Ball rollt. Sonst wäre die Medien-Präsenz sicher noch viel größer.
8.14 Uhr
Gehe bei mir die Tür raus, bin arg spät dran. In einer halben Minute beginnt für uns das Frühstück. Hoffentlich kommt der Aufzug schnell. Hab‘ immer noch nicht herausgefunden, ob’s eine Mannschaftskasse gibt.
8.16 Uhr
Bin ein klein wenig zu spät, aber nicht der Letzte. Umkurve in der Lobby unseren Litauer Gytis. Mit dem nächsten Aufzug folgen bestimmt noch ein paar andere.
8.20 Uhr
Vechtas Kapitän Josh Young schaufelt sich drei Pancakes auf den Teller. Direkt daneben steht Richard. Auf seinem Teller: eine große Ladung Rührei und ein Laugenbrötchen.
8.22 Uhr
Vechtas Big Man Michael Kessens ist etwas bescheidener als sein Kapitän. Auf seinem Teller nur zwei Pancakes. Neben ihm steht Akeem, hat schon Rührei auf dem Teller, verziert es nun mit Schnittlauch.
8.25 Uhr
Die Truppe aus Vechta hat ihre Plätze im hinteren Teil des Speisesaals, die Frankfurter ganz vorne rechts. Am Buffet treffen sich alle. Nachher gegeneinander auf dem Parkett – jetzt bei Pancakes und Rührei vereint. Mache ein paar Bilder und Videos der Szenen. Versuche dabei immer im Hintergrund zu bleiben, ein paar Schritte entfernt. Aber klar, dass auch die Vechtaer mich wahrnehmen. Ob sie von mir genervt sind?
8.35 Uhr
Auch die Bamberger kommen in den Frühstückssaal, sitzen halblinks neben uns. Heute Abend spielen sie gegen Ludwigsburg. An der Kaffeemaschine treffe ich Christian Sengfelder, wir quatschen kurz. Dann kommt unser Point Guard Joe vorbei, tippt Sengfelder von hinten an, schaut zu mir und sagt: „Don’t talk to this guy – don’t talk him!“ Die beiden lachen. Ich schaue verdutzt.
8.37 Uhr
Nachdem ich mir einen Cappuccino gezogen habe, fällt mir ein: Joe hat doch mal in Braunschweig gespielt. Chris Sengfelder auch.
9.05 Uhr
Laufe mit Headcoach Sebastian aus dem Frühstücksraum, peilen eigentlich den Aufzug an. Setzen uns dann aber doch noch mal kurz in die Lobby. Quatschen über dies, quatschen über das. Am Ende ne halbe Stunde, bis es in den Aufzug geht.
10.00 Uhr
Bin auf meinem Zimmer, poste bei Instagram und Twitter die Szenen, wie Frankfurt und Vechta am Frühstückstisch vereint sind. Tagge die genannten Spieler. Bin mir weiterhin nicht sicher, wie die Spieler das Filmen beim Frühstück wahrnehmen. Ob sie das okay finden, vor allem auch die Spieler der anderen Teams.
10.10 Uhr
Benachrichtigung auf meinem Handy. Josh Young hat das eine Buffet-Video repostet.
10.20 Uhr
Benachrichtigung auf meinem Handy. Michael Kessens hat das andere Buffet-Video repostet. Scheint ihnen doch zu gefallen.
12.10 Uhr
Im Aufzug mit Marco. Über was wir quatschen? Mal wieder Fußball. Das Pokal-Traumfinale ist geplatzt. Wie im Morgenmagazin gesehen, hat Frankfurt gegen die Bayern verloren, die nun im Endspiel gegen Leverkusen stehen. Marcos Verein. Aus Völler-Gründen. So hat sich Marco wohl etwas Final-Trashtalk erspart. Denn viele im Team sind Eintracht-Fans.
12.12 Uhr
Wir steigen aus dem Aufzug, typische Augenblicke in der Lobby. Marco kommt mit Andreas Obst ins Gespräch. Der, der mit Ulm bisher alle drei Spiele gewonnen hat. Momo quatscht mit Vechtas Josh Young. Der, der uns repostet hat. Yorman plaudert mit BBL-Mitarbeiterin Lina Lindner. Die, die ich gegen Ludwigsburg vorm abprallenden Ball gerettet habe.
12.15 Uhr
Mittagessen. Gemeinsam mit den Ulmern am Buffet. Lachs oder Hähnchen, Nudeln oder Reis. Und die Vechtaer? Scheinen uns diesmal aus dem Weg zu gehen.
12.30 Uhr
Sitze ja am Zweier-Tisch zusammen mit Assistant Coach Daniel. Links neben uns Headcoach Sebastian und Co-Trainer Klaus. Während sie essen, sprechen die beiden kaum ein Wort. Sobald die Teller leer sind, unterhalten sie sich über Match-ups und letzte taktische Kniffe. In leisem Ton, damit sonst niemand was mitbekommt. Spitze die Ohren.
12.40 Uhr
Könnten noch 20 Minuten in unserer Ecke sitzenbleiben, bis die nächsten Teams für den Speisesaal eingeteilt sind. Doch die meisten unserer Spieler stehen jetzt schon auf, um hoch auf ihre Zimmer zu gehen. Voller Fokus auf Vechta. Manche machen einen kleinen Mittagsschlaf, zum Beispiel Yorman.
13.05 Uhr
Stehe an der Kaffee-Maschine. Hinten links am Aufzug vorbei. Ziehe mir zwei Cappuccino, passen perfekt in den Pappbecher. Randvoll. Eine Tasse Kaffee hatte ich schon beim Frühstück, einen kleinen Cappuccino im Laufe des Vormittags. Als mir das bewusst wird, während ich den Becher in die rechte Hand nehme, bin ich etwas erschreckt über mich selbst. Dennoch scheint’s mir notwendig zu sein, um den Schlafmangel zu kompensieren.
14 Uhr
Sitze auf meinem Zimmer, Raum 136. Bin mal wieder am Handy tippen und Tagebuch schreiben. Schaue mich ganz kurz in meinem Zimmer um. Auf der Kommode liegt das Buch, das ich mir mitgenommen habe: „Wiedersehen im Café am Rande der Welt“. Bisher keine einzige Seite gelesen.
14.55 Uhr
Handy geladen, Foto-Kamera im Rucksack verstaut. Den Fahrstuhl runter, rein in den Bus. Auf zum Audi Dome.
Tagebuch-Übersicht
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15.01 Uhr
Alle sind im Bus. Alle? Teambetreuer Jannis zählt durch. So wie immer. Yorman fehlt. Kommt aber wenige Sekunden später in den Bus gestiefelt.
15.05 Uhr
„Ohhhh I wanna dance with somebody, I wanna feel the heat with somebody.“ Der alte Whitney-Houston-Klassiker läuft im Radio, schallt durch den Bus. Ein heißes Tänzchen gleich auch gegen Vechta? Denke, den Jungs wäre jetzt Hip-Hop lieber als Whitney. Wobei. Haben ja eh fast alle Kopfhörer in den Ohren.
15.30 Uhr
Angekommen im Audi Dome, rein in die Kabine, raus in die Halle. Dort gibt’s vor dem Tip-off kurze Magenta-Sport-Interviews mit einigen Protagonisten. Bei unseren ersten beiden Partien immer Headcoach Sebastian, dazu jeweils ein Spieler. Diesmal ist nur ein Spieler angefragt – Gytis. Habe jedoch vergessen, Sebastian vorab zu informieren. Ich stehe in der Interview-Ecke bei Gytis, als Sebastian auf mich zukommt. „Sorry, hab‘ vergessen, dir Bescheid zu geben, dass du heute vorab nicht brauchst …“ Sebastian grinst: „Ach, nix Sorry, ist doch eine gute Nachricht für mich.“
16.25 Uhr
Präsentation der beiden Mannschaften. Die vier Vechtaer auf der Tribüne haben Klatschpappen mitgebracht, machen ordentlich Radau. Wir haben Athletiktrainer Greg und Physio Flo. Die machen Radau für zwei.
17.15 Uhr
Sebastian wird aus der Halle verwiesen, haut hinter unserer Bank einen Stuhl um. Ich sitze Luftlinie einen Meter daneben. Bevor er die Tür öffnet, um den Innenraum zu verlassen, dreht er sich noch einmal um und wird laut. Ich höre weg.
17.20 Uhr
Die letzten Sekunden des zweiten Viertels laufen. Wie üblich kommt BBL-Kollege Ravi Sharma zu mir und gibt mir durch, welchen Spieler Magenta Sport nun zum Interview will: Len Schoormann, unseren Youngster. In der Regel ein zurückhaltender, fast stiller Zeitgenosse, der nicht wirklich Interview-erprobt ist. Ob das gut geht? Andererseits: Gestern beim Instagram-Takeover hatte er’s ja auch prima gemacht.
17.22 Uhr
Die Sirene ertönt, Len visiert die Kabine an, ich fange ihn ab. Er schaut ganz kurz verdutzt, kommt dann aber wie selbstverständlich mit. In die andere Hallen-Ecke, wo die Interviews stattfinden. Ich sage ihm: „Alles easy, zwei Fragen, bekommst du hin.“ Klopfe ihm auf die Schulter. Len geht ans Mikro, antwortet souverän.
17.25 Uhr
Pressesprecher Thomas, der zuhause vor dem Fernseher schaut, schreibt mir via WhatsApp: „Len wächst in allen Belangen über sich hinaus …“
17.50 Uhr
Vechtas Simpson steht in der Ecke, direkt vor der SKYLINERS-Bank. Greg ruft: „Are you tired?” Simpson dreht sich um, sagt: „Totally fresh.“ Greg grinst. Wirklich frisch wirken die Vechtaer nicht.
18.25 Uhr
Der Sieg ist im Kasten, Assistant Coach Klaus soll zum Interview mit Magenta Sport. Macht er nicht wirklich gerne – er ist kein großer Freund von Interviews. Aber er macht’s.
18.28 Uhr
WhatsApp von Liga-Mitarbeiter Sven Simon. Er organisiert die Mediengespräche im Hotel, die über die BBL-Kanäle verbreitet werden. Er schreibt: Wenn ihr im Hotel angekommen seid, bitte lotse Klaus Perwas in den Interviewraum. Ich antworte mit einem Emoji: Daumen hoch.
18.30 Uhr
Headcoach Sebastian kommt aus der Kabine, fragt mich höflich: „Brauchst du mich noch?“ Ich schüttele den Kopf, meine: „Soll heute alles Klaus machen.“ Sebastian zieht die Augenbrauen hoch, sagt: „Bin ich jetzt arbeitslos?“ Kurze Stille. Dann lacht er – wir lachen beide.
18.35 Uhr
Klaus kommt aus der Kabine, klatschen uns ab. Gebe ihm Bescheid: Wenn wir im Hotel sind, bitte noch ein Interview. Klaus verzieht das Gesicht. „Kann das nicht Sebastian machen?“ Das eine Interview war ihm genug.
18.40 Uhr
Sitzen im Bus. Schreibe Sven Simon: Klaus will nicht so wirklich gerne. Hoffentlich ist auch Sebastian okay …
18.41 Uhr
Klaus sitzt direkt hinter mir, sage ihm: „Hab’s geregelt, du musst im Hotel nicht mehr.“ Er hat seine Maske auf, aber ich erkenne deutlich, dass er strahlt. Frage ihn: „Hab‘ ich jetzt einen gut bei dir?“ Er: „Sogar zwei.“
18.42 Uhr
Gehe zwei Busreihen vor zu Sebastian, der gerade einen Scouting Report in der Hand hält. Sage ihm, dass er beim BBL-Interview nun doch ran müsse. „Na gut, der Klaus muss ja auch nicht alles machen …“ Sagt er und grinst.
20.15 Uhr
Abendessen. Neben uns drängeln sich die Berliner und die Oldenburger. Es spricht sich schnell rum: Es gibt Schnitzel. Richtige Sportler-Ernährung hin oder her. Der Schnitzel-Pott ist sehr, sehr schnell leer.
21.10 Uhr
Auf dem Weg zum Fahrstuhl läuft mir Sven Simon über den Weg. Wir quatschen kurz, dass morgen Mittag Marco Völler zum Off-Day-Interview erscheinen soll. Klaus dürfte erleichtert sein.
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